Seit einigen Jahren wird das Thema „Teilhabe“ in der Politik, dem Gesundheitswesen und der Gesellschaft viel und stark diskutiert. Teilhabe bzw. Inklusion bezeichnet die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen am gesellschaftlichen Leben. Das erscheint auf den ersten Blick simpel: alle Menschen müssen die Möglichkeit haben, ein selbstbestimmtes, eigenständiges Leben zu führen. Wie umfangreich dieses Teilhabegesetz jedoch ist, ist den meisten, die nicht selbst Betroffene sind oder Betroffene in ihrem näheren Umfeld haben, i.d.R. gar nicht bekannt.
Barrieren bestimmen den Alltag
So dringend die Teilhabe ist, es ist noch ein langer Weg, bis Menschen mit Beeinträchtigungen selbstbestimmt leben können. Einerseits braucht es neue Regelungen und Gesetze. Andererseits muss allgemein ein besseres Bewusstsein in der Öffentlichkeit geschaffen werden. Taubblinde und hörsehbehinderte Menschen sind davon ebenfalls betroffen.
Es ist noch nicht all zu lange her, dass Taubblindheit als eigenständige Behinderung in Deutschland anerkannt wird. Betroffene galten als taub und blind, bzw. hörbehindert und sehbehindert. Man sprach daher von einer Mehrfachbehinderung. Doch mit dem in Kraft treten des Bundesteilhabegesetztes (BTHG) wird Taubblindheit seit 2016 als Behinderung eigener Art anerkannt. Dies führte u.a. zur Einführung des Merkzeichens „TBl“ (taubblind) im Schwerbehindertenausweis, höheren Einkommens-/Vermögensgrenzen in der Eingliederungshilfe, die Möglichkeit zur Beantragung für taktile Gebärdendolmetscher*innen, sowie die Einführung der Taubblindenassistenz als Leistung der Eingliederungshilfe.
Diese Entwicklungen waren dringend notwendig. Dennoch sind taubblinde und hörsehbehinderte Menschen in ihrer Selbstbestimmtheit stark eingeschränkt. Für viele Dinge benötigen Betroffene eine Assistenz.
Taubblindenassistenz – die Zusammenführung zweier Welten
Eine Person, die hör- und seheingeschränkt ist, kommuniziert mittels Gebärdensprache oder taktiler Gebärdensprache. Im Alltag helfen Taubblindenassistierende daher, beispielsweise bei Behördengängen, Arztterminen, aber auch Familienfeiern oder beim Shoppen, das Anliegen der betroffenen Person in Lautsprache zu übersetzen. Die Antworten gebärden sie daraufhin dem oder der Betroffenen. Neutralität ist hierbei das oberste Gebot für einen TBA. Sie ist ein Dienstleister und wird von der taubblinden Person beauftragt. Ein TBA ist also weder ein Betreuer noch ein Freund des Kunden. Aufgrund des Datenschutzgesetzes ist es TBAs sogar verboten, von sich aus potentielle Kundinnen und Kunden zu kontaktieren. Die Anfrage muss von den Betroffenen kommen. Eine Liste mit in der Nähe des Wohnortes verfügbaren TBAs finden diese in speziellen Verzeichnissen.
Diese Dienstleistung muss der Kunde bzw. die Kundin selbst bezahlen. TBAs sind selbstständig. Zudem handelt es sich hierbei um eine berufliche Qualifikation, keinen Ausbildungsberuf. Die Einführung des „Persönlichen Budgets“ im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes zielt darauf ab, z.B. solche in Anspruch genommenen Dienstleistungen zu bezahlen. Jedoch gibt es in Deutschland kein einheitliches persönliches Budget. Ein Mensch der Taubblind oder Hörsehbehindert ist und in Bayern lebt, hat monatlich einen höheren Betrag zur Verfügung als eine Betroffene Person in Sachsen. So hat jedes Bundesland einen anderen Budget-Satz, was eine gerechte Teilhabe wiederum aufhebt.