Können Sie sich vorstellen, wie sich Taubblindheit anfühlt?
Machen Sie dafür einfach Ihre Augen zu und legen Sie Ihre Finger in die Ohren, um das Gefühl der Taubblindheit annähernd nachzuvollziehen.
Mit das wichtigste Bindeglied zwischen hörenden und taubblinden Menschen, ist das Lormen. Durch diese Kommunikationsform verständigen sich taubblinde Menschen untereinander oder mit ihren Begleitern. Wie das geht? Mit dem Lorm-Alphabet. Die Hand der taubblinden Person wird wie eine Tastatur benutzt; jeder Buchstabe in Form eines Punktes oder Strichs in die Hand geschrieben.
Gehörlose Menschen, die spät erblinden (Usher-Syndrom), bevorzugen die taktile Gebärdensprache. Hierbei fühlt der/die Angesprochene die Gebärden des Sprechenden an den Händen ab.
Hieronymus Lorm
Der Name der Lorm-Sprache leitet sich von dessen Erfinder, dem Österreicher Hieronymus Lorm ab. Er lebte von 1821 bis 1902 und ist nicht nur der Erfinder dieser Kommunkationsform, sondern war zu Lebzeiten zudem Dichter, Schriftsteller, Journalist und Literaturkritiker. Wörter und Sprache begleiteten ihn sein Leben lang. Seine eigene Hörsehbehinderung hinderte ihn daran nicht.
Hieronymus Lorm, mit bürgerlichem Namen Heinrich Landesmann, ist das Pseudonym unter dem er von 1847 an Texte veröffentlichte. Sein gewählter Vorname ist eine Hommage an den Erimiten-Heiligen Hieronymus, der ihn an sein eigenes Schicksal erinnerte. Lorm ist der Name des Protagonisten des Romans De l’Orm von George Payne Rainsford James (1837).
Als Kind litt Heinrich Landesmann an mehreren Krankheiten. Im Alter von 15 Jahren, nach einer schweren Erkrankung mit Lähmungserscheinungen, ertaubte der Junge und verlor einen Großteil seines Sehvermögens. Das Studium der Musik musste er darauf abbrechen. Doch die Leidenschaft zum geschriebenen Wort wuchs, und so veröffentlichte er schon bald erste Gedichte in österreichischen Zeitungen. Im Laufe seines Lebens verfasste er zudem viele Artikel, Literaturkritiken und Bücher. Darunter die Werke Wien’s poetische Schwingen und Federn (1847) oder Der ehrliche Name. Aus den Memoiren einer Wiener Jüdin (1880).
1881 verlor Landesmann sein Augenlich vollends. Um weiterhin mit Bekannten und Angehörigen kommunizieren zu können, entwickelte er daraufhin das Lorm-Alphabet – zunächst für sich selbst, doch Anfang des 20. Jahrhunderts breitete sich diese Kommunkationsform im deutschen Sprachraum immer weiter aus. Heute ist sie die typische Sprache taubblinder Menschen.
Das Lorm-Alphabet
Tippen – Streichen – Wischen
Diese Gesten benutzen Miliarden Menschen täglich um mit Freunden, Bekannten oder Kollegen in Kontakt zu sein. Sei es in Form einer Kurznachricht, zum Schreiben einer e-Mail, zum Suchen und Abspielen von Videos oder Musik, beim online Shoppen etc. Ein Wisch nach rechts, ein Tippen, wieder ein Wisch nach unten. eine smarte Art der Mediennutzung.
Von Smartphones und Touchscreens war man zu Lebzeiten von Heinrich Landesmann noch sehr weit entfernt. Dennoch basiert seine Tast-Sprache auf eben solchen Gesten. Ein blinder Mensch verfügt über einen guten Hör- und Tastsinn; ein gehörloser Mensch sieht sehr gut. Taubblinde und hörsehbehinderte Menschen büßen jedoch gleich zwei wichtige Sinne ein: das Hören und das Sehen. Das macht eine verbale Verständigung unmöglich, ebenso wie eine Zeichensprache. Daher arbeitet man beim Lormen mit dem Tastsinn.
Die komplette Handinnenfläche wird dabei in Buchstaben aufgeteilt: die Fingerspitzen, jedes Fingerglied, der Handballen … überall liegt ein anderer Buchstabe. Um der taubblinden Person anzuzeigen welchen Buchstaben man meint, tippt der andere auf die entsprechende Stelle in der Handinnenfläche der taubblinden Person. Auf diese Weise werden die Worte buchstabiert.