Nichts hören und sehen zu können oder Einschränkungen durch eine Hörsehbehinderung zu haben, stellt Betroffene tagtäglich vor Herausforderungen. Viele Gegenstände des täglichen Lebens sind auf den Hör- bzw. Sehsinn ausgerichtet. Nicht selten sogar auf beide.
Nehmen wir ein Beispiel, das jeder nachempfinden kann. Montagmorgen: Ihr Wecker klingelt. Sie drehen sich um, um das störende Geräusch auszuschalten. Ein prüfender Blick auf die Uhr. Nachdem Sie sich angezogen und frischgemacht haben, ist es Zeit für den ersten Kaffee/Tee oder Saft des Tages. Sie nehmen direkt eine große Tasse. Vielleicht lesen Sie währenddessen die Tageszeitung oder schauen Nachrichten, um gut über das Geschehen in der Welt informiert zu sein. Anschließend nehmen Sie Ihre Jacke und Schlüssel, und machen sich zu Fuß, mit dem Auto oder dem Rad auf den Weg zur Arbeit.
Nun stellen Sie sich diese morgendlichen Abläufe einmal vor, wenn Sie weder sehen noch hören können. Unmöglich? Das nicht. Es braucht jedoch einiges an Hilfsmitteln und zusätzliche Zeit, um eben diese Routine als taubblinde Person durchführen zu können.
- Der Wecker klingelt: Für Menschen mit einer Hörseheinschränkung gibt es spezielle Wecker, die keine akustischen Töne von sich geben, sondern mit Vibration arbeiten. Oft sind es flache Kästchen, die unter das Kopfkissen gelegt werden. An einer Fernbedienung mit großen, gut tastbaren Knöpfen lässt sich die Weckzeit einstellen.
- Uhrzeit kontrollieren: Als taubblinde oder hörsehbehinderte Person hat man unterschiedliche Möglichkeiten, die Uhrzeit in Erfahrung zu bringen. Abhängig ist das von der Art der Beeinträchtigung. Einem hörsehbehinderten Mensch reicht z.B. eine Uhr/ein Wecker mit sehr großem digitalen Display oder einer Sprachausgabe. Letzte verkündet beim Drücken eines Knopfes auf der Uhr/dem Wecker die aktuelle Uhrzeit per Ansage. Taubblinde Menschen, die weder ein großes Display erkennen können, noch die Ansage hören, nutzen daher oft eine taktile Uhr. Sie zeigt das runde Zifferblatt sowie die Stunden- und Minutenzeiger an. Die einzelnen Ziffern (12, 1, 2, 3, etc.) sind als haptische Punkte ertastbar, ebenso wie die Zeiger erfühlt werden können.
- Kleidung auswählen: Hier entwickeln Betroffene häufig ihre eigenen Strategien, wie sie unterschiedliche Kleidungsstücke auseinanderhalten. Eine große Rolle spielt der Tastsinn. Natürlich hat man schnell ertastet, ob man ein T-Shirt, einen Pullover, ein Top, ein Hemd, eine Jeans etc. in der Hand hat. Eine Kategorisierung, sprich den verschiedenen Kleidungsstücken im Kleiderschrank einen festen Platz zu geben, hilft bei der schnellen Orientierung. Auch fühlen sich Pullover beispielsweise oft anders an; Applikationen auf Hosen oder Oberteilen, Materialmix oder Textilien helfen bei der Unterscheidung. Manche nutzen zudem spezielle Etiketten, die man mit einem Gerät scannen kann und akustisch oder durch ein weiteres Gerät in Blindenschrift die vorab selbst vermerkten Eigenschaften des Kleidungsstücks wiedergibt, z.B. die Farbe. Auch andere tastbare Gegenstände wie unterschiedlich geformte Klammern können als Hilfsmittel verwendet werden. Jeder entwickelt ein eigenes System.
- Kaffee/Tee: Ein Getränk einschütten, ohne zu sehen wie voll die Tasse ist, ist gar nicht so leicht. Natürlich kann man den Finger hineinhalten, um zu erfühlen, wie gefüllt die Tasse ist. Bei heißen Getränken geht das jedoch nicht. Je voller ein Gefäß gefüllt wird, umso höher wird der Ton, den die Flüssigkeit beim Hineingießen erzeugt. Kennt man das ungefähre Volumen der Tasse/des Glases, kann man so ebenfalls abschätzen, wie voll es ist. Am sichersten und zugänglichsten ist daher ein Füllstandsanzeiger, den man auf den Rand des Gefäßes steckt. Zwei dünne Metallstäbchen zeigen an der Innenseite nach unten. Wenn die Flüssigkeit, ob warm oder kalt, die Kontaktstäbchen erreicht, gibt der Füllstandsanzeiger sowohl ein lautes Piepsen wie auch eine starke Vibration von sich.
- Nachrichten: Digitale Medien in schriftlicher Form sind meist die einzige Möglichkeit für hörsehbehinderte Menschen, um aktuelle Nachrichten zu konsumieren. Personen, die weder sehen noch hören können, haben keine Verwendung für visuelle (TV, Videos) und akustische (Radio) Medien. Meldungen in Textform hingegen können über den PC mit Hilfe einer Braillezeile in Blindenschrift wiedergegeben werden. Dabei setzt die Braillezeile, welche extern an den PC angeschlossen wird, den auf dem Bildschirm stehenden Text Zeile für Zeile in Blindenschrift um. Voraussetzung ist hierfür allerdings, dass die betroffene Person sowohl die Blindenschrift lesen kann als auch einen PC mittels entsprechender Software bedienen kann. Gerade spät ertaubten Menschen fällt dies schwerer als jenen, die von Geburt an eine Hörsehbehinderung haben.
- Der Arbeitsweg: Neben der Jacke und dem Schlüssel gehört für eine taubblinde oder hörsehbehinderte Person noch der Blindenstock (auch Langstock genannt) zu den Gegenständen, die man beim Verlassen der Wohnung mitnimmt. Damit die Mitmenschen erkennen, dass hier eine Beeinträchtigung vorliegt und Rücksicht nehmen, kennzeichnen sich viele Betroffene zusätzlich mit Pins oder einer Sicherheitsweste auf denen auf blauem Grund ein durchgestrichenes Ohr sowie ein Männchen mit weißem Stock abgebildet sind – das offizielle Zeichen für „Taubblindheit“.
Wie man sich als taubblinder oder hörsehbehinderter Mensch im Straßenverkehr orientiert, beschreiben wir in einem späteren Beitrag.