Sie wundern sich über diese Kombination? Dann fahren Sie einmal in die Oberlausitz, ganz im Osten Deutschlands. Wenn im Sommer die drei internationalen Begegnungen der Arbeitsgemeinschaft stattfinden – Jugendliche und junge Erwachsene zusammenkommen oder die „mittlere Generation“ eine Woche thematisch gestaltet – gehen taubblinde und hörsehbehinderte Menschen auf Entdeckungsreise. Dieses Jahr war die Oberlausitz die Gastregion. Ganz im Zentrum der Sorben hatten wir unser Quartier: vom 15. – 22. August war das Bischof-Benno-Haus in Bautzen-Schmochtitz Ausgang und Ziel unserer Unternehmungen – gemäß dem Wochenmotto „Bei Sachsen, Sorben und Sauriern“.
Es ist eine geschichtsträchtige Region, die es mit allen Sinnen zu erleben galt. So ging es zu Fuß durch den alten Stadtbereich von Bautzen, der Stadt der Türme. Und wir stellten fest: auch hier gibt es einen „schiefen Turm“! Die Stadt an der Spree nur auf ihre Gefängnis-Vergangenheit zu reduzieren, ist sehr schade. Ein weiterer Stadtspaziergang folgte in der Europastadt Görlitz mit ihrem einmaligen Ensemble der historischen Stadtarchitektur. Kein Wunder, dass hier so mancher Film seine Kulisse findet … Und schnell mal über die Neiße nach Polen – auch das nutzten ein paar aus der Gruppe …
Lang ersehnter Regen machte den Besuch in Cunewalde mit seinem Umgebindehaus-Park und der größten evangelischen Dorfkirche Deutschlands (2.600 Plätze!) etwas feuchter als geplant. Die Umgebindehäuser sind traditionell für diesen Landstrich und sind einfach gesagt „ein Haus im Haus“. Ein kleiner Park mit verschiedenen Haus-Modellen verdeutlichte die Bauweise ebenso wie eine extra für uns gebaute Nachbildung der Konstruktion. Die andere typische Bauweise der Schrotholzhäuser entdeckten wir in der Erlichthofsiedlung, einem Freilichtmuseum (im Aufbau) bei Rietschen. Der Name stammt vom Schrotbeil, mit dem die Bäume behauen werden, ehe sie zu den Holzhäusern zusammengefügt werden.
Der Abstecher im Saurierpark Kleinwelka vermittelte eine Ahnung von Größe und Vielfalt der Urzeit-Tiere und es ist sicherlich eine interessante Art, jungen und älteren Besuchern die Entwicklung der Erdgeschichte zu verdeutlichen. Im Findlingspark Nochten erfährt der Besucher, wie man Braunkohletagebau-Standorte rekultivieren kann: wie sich die im Tagebau gefundenen Steine mit den Pflanzen und der Umgebung zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügen und zu einer Oase für Besucher werden lässt – blühende Heide an unserem Tag inbegriffen. Der Geologie und der Fauna der Lausitz begegneten wir auch in einer vortrefflichen Führung im Naturkundemuseum Görlitz, bei der Begreifen im wörtlichen und übertragenen Sinn zu einem echten Erlebnis wurden.
In Pulsnitz, der Pfefferkuchenstadt, gab es natürlich nicht nur die berühmten Pfefferkuchen zum Probieren und Kaufen, sondern wir erfuhren, wie heute die Pfefferküchler arbeiten. Dabei steht „Pfeffer“ als mittelalterlicher Sammelbegriff für die fremdländischen, kostbaren Gewürze, die diesem Gebäck (ähnlich dem Lebkuchen) beigegeben werden. Unser Streifzug bei den Handwerkern mit Tradition führte uns an diesem Tag in Pulsnitz auch in eine alte Töpferei – hier wird beim Bemalen die „Schwämmel-Technik“ verwendet – und in die älteste Blaudruckwerkstatt Deutschlands mit den schönen Modeln zum Bedrucken der nicht nur blauen Stoffe.
Bleibt noch der Dudelsack aus der Überschrift: Er gehört auch zu den Musikinstrumenten der Sorben. Ihrer Geschichte, ihrer Kultur und Sprache begegneten wir im Sorbischen Museum auf der Ortenburg in Bautzen und auch die besonderen Ostereier kamen nicht zu kurz. Beim „Sorbischen Abend“ erklärte uns die Gruppe „Sprewjan“ ihre Trachten, Lieder und Instrumente.
Den Sonntagsgottesdienst feierten wir gemeinsam mit Pfarrer Gregor Hansel und Peter Brinker von der Gehörlosenseelsorge des Bistums Dresden-Meißen und gehörlosen und hörenden Tagesgästen. Dazu benutzten wir die Scheunenkirche des Bischof-Benno-Hauses, während uns die Hauskapelle am Freitagabend für die Segensfeier aufnahm.
Schmochtitz hat eine lange Geschichte, Besitzer und Verwendungen wechselten. Heute ist das ehemalige Rittergut mit dem weitläufigen Park an der „Via Regia“ Bildungs- und Tagungszentrum des Bistums Dresden-Meißen. Da es über genügend Zimmer in den verschiedenen Häusern rund um den Innenhof verfügt, konnten wir dieses mal auch mit 74 Dauerteilnehmenden und ab und zu ein paar Tagesgästen – auch taubblinde Freunde und ihre Assistenten aus der Umgebung – die Woche durchführen. Zwei Busse waren uns behilflich, unsere Ziele zu erreichen, die nicht immer an oberster Stelle der touristischen Highlights dieser Gegend stehen. Natürlich war es nur eine kleine Auswahl aus dem Schatz der Region, die uns über Land und Leute einiges vermittelte.
Es ist immer wieder faszinierend und spannend für mich, wenn Dolmetscher, Assistenten, Taubblinde und Hörsehbehinderte mit Herz und Hand bei der Sache sind und Informationen vermitteln, Erlebtes erzählen, Fragen stellen, plaudern … denn dies gehört in der Woche natürlich auch wesentlich dazu – neben all den Ausflügen darf der Austausch über die Ländergrenzen hinweg und das Kennenlernen neuer Teilnehmer nicht fehlen …
Gerlinde Gregori
(veröffentlicht in „Lux Vera“, September 2015)